Kapitel 13: Die Schweiz

Zwei Schweizer stellen ihre Heimat vor1

Dr. Anton Vischer (45 Jahre alt), Rechtsanwalt aus Basel2

“In meinem Beruf bin ich für die Investitionen ausländischer Firmen verantwortlich und reise darum viel im Ausland.3 Dort höre ich oft die alten Klischees über meine Heimat.4 Wenn man sagt, dass man aus der Schweiz kommt, denken viele Menschen automatisch an saubere Straßen, Schokolade, Uhren, Käse und an die Schweizergarde im Vatikan.5 Darüber ärgere ich mich immer ein bisschen.6 Ich möchte lieber, dass andere wissen, was für eine politische Ausnahme die Schweiz in Europa bildet.7 Ich werde versuchen, Ihnen etwas davon zu beschreiben.8

Schon seit dem 13. Jahrhundert hat die Schweiz eine demokratische Verfassung.9 Sie gehört also zu den ältesten und stabilsten Demokratien der Welt.10 In beiden Weltkriegen ist die Schweiz neutral geblieben.11 Diese Tradition der stolzen schweizerischen Unabhängigkeit beeinflusst noch heute die politische Diskussion.12 Wir sind erst seit 2002 in der UNO, aber weder in der NATO noch in der EU.13 Unter dem Druck der Globalisierung wird sich das vielleicht eines Tages ändern.14

Einige werden unsere Gesellschaft wohl zu konservativ finden.15 Die Frauen, z.B., können erst seit 1971 wählen.16 Andererseits hat eine Frau schon im Jahre 1867 an der Uni Zürich den Doktorgrad bekommen - zum ersten Mal in Europa.17 Und man darf nicht vergessen, dass es in der Schweiz durchaus auch einen Platz für soziale Kritik gibt.18 Das zeigen die Werke unserer bekanntesten Schriftsteller wie Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt.19

Jemand fragte mich einmal, ob ich stolz bin, Schweizer zu sein.20 Darauf habe ich sofort mit ‘ja’ reagiert, aber in Zukunft werde ich mir die Antwort genauer überlegen.21 Ich werde einfach sagen, ich bin froh, Schweizer zu sein, denn meine Heimat ist das schönste Land, das ich kenne.22 Da ich meine Freizeit immer auf Bergtouren verbringe, ist mein Leben mit der Alpenlandschaft eng verbunden.23 Für mich sind die Alpen der einzige Ort, wo ich mich körperlich und seelisch erholenkann.24 Das klingt vielleicht romantisch, aber eigentlich bin ich ein ganz praktischer Mensch.”25

Nicole Wehrli, Dolmetscherin aus Biel, 24 Jahre alt26

“Ich bin in der zweisprachigen Stadt Biel - auf Französisch Bienne - aufgewachsen, direkt an der Sprachgrenze zwischen der französischen und der deutschen Schweiz.27 Bei uns können Sie manchmal auf der Straße Gespräche hören, in denen die Menschen beides - Französisch und Deutsch - miteinander reden.28 In der Schule habe ich dann Latein, Englisch und Italienisch gelernt.29 Sie werden sich also nicht wundern, dass ich mich für Fremdsprachen interessiere.30 Eines Tages möchte ich sogar Chinesisch lernen.31

Die Eidgenossenschaft ist wohl ein Unikum in Europa, denn sie ist viersprachig.32 Die Sprachbarrieren waren lange Zeit ein großes Hindernis für die politische Vereinigung der Kantone.33 Heute gibt es keine großen Schwierigkeiten mehr, denn fast alle Schweizer können wenigstens zwei Landessprachen, und viele können auch Englisch.34 64% der Bevölkerung hat Deutsch als Muttersprache, 19% spricht Französisch, 8% Italienisch und etwa ein Prozent Rätoromanisch.35 Unser ‘Schwyzerdütsch’ können die meisten Deutschen nicht verstehen.36 Da unsere Kinder Schriftdeutsch erst in der Schule lernen müssen, ist es für sie oft so schwer wie eine Fremdsprache.37 Die geschriebene und offizielle Sprache in den Schulen bleibt Schriftdeutsch, aber nach dem Unterricht sprechen Lehrer und Schüler Schwyzerdütsch miteinander.”38

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