Kapitel 11: Deutschland nach der Mauer

Deutschland im europäischen Haus1

Im Jahre 1989 ging mit dem Fall der Berliner Mauer eine Epoche der europäischen Geschichte zu Ende:2 Die Nachkriegszeit war endlich vorbei.3 Besonders für die Länder Osteuropas sind die 90er Jahre eine Zeit der Unsicherheit, aber auch der neuen Hoffnungen.4 Mit seiner zentralen Lage zwischen Ost und West und seiner starken Wirtschaft ist Deutschland in vieler Hinsicht der Schlüssel zum neuen “europäischen Haus”5.

Historischer Hintergrund: 1945 bis 19896

1945 teilten die vier Alliierten Amerika, England, Frankreich und die Sowjetunion das besiegte Hitlerreich in vier Zonen auf mit dem Ziel, später einen neuen entnazifizierten Staat zu bilden.7 Aber bald änderte sich das politische Klima.8 Es begann der so genannte Kalte Krieg zwischen dem Kommunismus im Osten und dem Kapitalismus im Westen.9 Anstatt eines vereinten Landes gründete man 1949 die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR), zwei separate und sehr verschiedene Staaten.10

Weil die Grenze zwischen Ost- und West- Berlin bis 1961 offen blieb, konnten zirka 2,7 Millionen Menschen aus der DDR in den Westen auswandern.11 Die DDR verblutete.12 Um einen langsamen Tod zu verhindern, baute die ostdeutsche Regierung 1961 eine Mauer mitten durch Berlin.13 Die Berliner Mauer, das berühmte Symbol des Kalten Krieges, existierte 28 Jahre, bis die zwei Supermächte USA und die Sowjetunion endlich ihre Feindschaft aufgaben.14

November 1989: Die Grenze öffnet sich15

In den 80er Jahren leitete die “Glastnost-Politik” Michael Gorbatschows in der Sowjetunion eine Reform ein, die sich schnell auf die anderen Länder Osteuropas ausweitete.16 Im Sommer 1989 gab es in Leipzig, Dresden und vielen anderen Städten der DDR riesengroße friedliche Demonstrationen gegen den kommunistischen Staat.17 “Wir sind das Volk”, riefen die Demonstranten und später: “Wir sind ein Volk”.18 Diese Demonstrationen leiteten die erste erfolgreiche gewaltlose Revolution der deutschen Geschichte ein.19 Die Regierung musste die Grenze öffnen.20 1990 kamen dann die ersten freien Wahlen in der DDR und im nächsten Jahr die Vereinigung der beiden Teile Deutschlands.21

Deutschland im neuen Europa22

Als Wirtschaftsmacht und größtes Mitglied der Europäischen Union spielt das vereinte Deutschland eine wichtige Rolle als Brücke zwischen Ost und West.23 Deutschland ist selber ein Spiegel der großen Unterschiede in Europa.24 Wie sieht denn die Zukunft des europäischen Hauses aus?25

Es gibt natürlich noch ungelöste Probleme.26 Die Umwelt war in Osteuropa durch die Industrie viel mehr beschädigt als im Westen.27 Auch waren die meisten Fabriken in den neuen Bundesländern und in anderen osteuropäischen Ländern hoffnungslos veraltet und konnten nicht mit der westeuropäischen Industrie konkurrieren.28 Man musste sie entweder schließen oder sehr viel investieren, um sie zu modernisieren und umweltfreundlicher zu machen.29 Das bedeutete im Osten mehr Arbeitslosigkeit und Ressentiments gegen die Manager aus dem Westen, die die Marktwirtschaft einführen sollten.30

Die wirtschaftliche Situation in Osteuropa war nach der Auflösung der Sowjetunion so prekär, dass viele Menschen ihre Heimat verließen und nach Deutschland auswanderten.31 Besonders die so genannten “Aussiedler” - d.h. Menschen deutscher Abstammung aus Ländern wie Rumänien und Russland - stellten sich ein besseres Leben in Deutschland vor.32 Obwohl die meisten Deutschen diesen Menschen helfen wollen, gibt es auch eine rechtsradikale Minderheit.33 Solche Neonazis propagieren Hass gegen Ausländer und erwecken im Ausland alten Ängste aus der Hitlerzeit.34

Es dauert wahrscheinlich noch lange, bis diese alten Ängste und die neuen politischen Probleme überwunden sind.35 Aber die Demokratisierung und Integration Osteuropas mit dem Westen sind nicht mehr aufzuhalten.36 Zwischen den neuen Nachbarn im Osten und den reichen Demokratien im Westen steht die politisch stabile und wirtschaftlich starke Bundesrepublik.37 Es ist sicher, dass sie in der Europäischen Union eine führende Rolle zu spielen hat.38

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