Kapitel 6: An der Universität

Ein Brief aus Freiburg1

Claudia Martens hat gerade einen Brief von ihrem amerikanischen Freund Michael Hayward bekommen.2 Claudia war ein Jahr in Amerika als Austauschschülerin an Mikes High-School in Atlanta.3 Sie schickt ihm sofort eine Antwort.4

Freiburg, den 20.2.035

Lieber Michael6,

dein Brief ist gestern angekommen und ich möchte ihn sofort beantworten.7 Du schreibst, du willst zwei Semester an der Uni in Freiburg Geschichte studieren.8 Das finde ich super!9 Ich studiere auch Geschichte, aber nur im Nebenfach.10 Mein Hauptfach ist eigentlich Philosophie.11 Letztes Semester habe ich ein sehr interessantes Seminar über den Ersten Weltkrieg belegt.12 Vielleicht können wir im Herbst zusammen in die Vorlesung über Bismarck und die Gründerjahre gehen.13

Habe ich dir je über unser Universitätssystem und das Studentenleben bei uns berichtet?14 Die Semesterferien haben gerade begonnen, also habe ich endlich ein bisschen Freizeit und kann dir eine Menge erzählen.15 Im Allgemeinen ist das Tempo bei uns etwas langsamer und das Studium weniger stressig als bei euch.16 Wir schreiben nicht so viele Klausuren und Referate und man ist als Student mehr für sich selbst verantwortlich.17 Das heißt zum Beispiel, du kannst abends zu Hause sitzen und Bücher wälzen oder mit Freunden in die Kneipe gehen.18 Erst am Semesterende musst du für das Seminar ein Referat schreiben; dann bekommst du einen Schein.19 Bei einer Vorlesung gibt es weder Referate noch Klausuren!20 Da staunst du wohl, oder?21

Wie du vielleicht schon weißt, sind unsere Unis staatlich; das bedeutet, sie sind für uns Studenten fast kostenlos.22 Die Studiengebühren sind sehr niedrig.23 Ansonsten muss man praktisch nur für Wohnung, Essen, Bücher und Kleidung Geld ausgeben.24 Außerdem bekommen viele Studenten auch das so genannte BAföG.25 Wie finanzierst du eigentlich dein Jahr in Deutschland?26 Mit einem Stipendium oder musst du alles selber bezahlen?27 Jedenfalls ist das Essen in der Mensa immer billig und relativ gut, aber mit dem Wohnen ist es manchmal eine Katastrophe.28 Es gibt nicht genug Studentenwohnheime für alle Studenten und private Buden sind wahnsinnig teuer geworden.29 Die Wohnungsnot ist besonders schlimm:30 In den Jahren nach der Wiedervereinigung sind viele Deutsche aus der ehemaligen DDR und Aussiedler aus Osteuropa in den Westen gekommen.31 Übrigens habe ich letztes Semester einigen Schulkindern aus zwei Aussiedlerfamilien Nachhilfestunden in Deutsch gegeben, denn diese neuen Bürger können oft nur wenig Deutsch.32

Wie ist es denn bei dir?33 Bekommst du durch das Austauschprogramm automatisch einen Platz im Studentenwohnheim?34 Wenn nicht, dann hast du Glück: Du kannst zu uns in die WG!35 Wir haben nämlich nächstes Semester ein Zimmer frei und du bist herzlich willkommen.36 Michael, du bist immer so gern ins Kino und Konzert gegangen.37 Ich bin sicher, die Filme und Konzerte hier werden dich nicht enttäuschen.38 Mit deinem Studentenausweis bekommst du im Theater, Kino und Museum immer eine Ermäßigung.39

Jetzt habe ich aber einen Termin beim Arzt und muss nachher für eine Party einkaufen.40 Wir feiern nämlich heute Abend das Semesterende.41 Also, genug für heute, aber ich schreibe dir bald wieder.42 Viele herzliche Grüße an dich und deine Familie.43

Deine Claudia44

P.S. Ich hab' dir einen Stadtplan und ein paar Postkarten von der Altstadt beigelegt und dazu ein neues Foto von mir.45 Kennst du mich noch mit kurzen Haaren?46

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